Dieser Spruch soll in die Sitzbank eines Uni-Hörsaales in Hamburg eingeritzt sein. Ich gebe zu, auch mich hat der November-Blues ein bisschen erwischt. Trotzdem finde ich, dass der Monat besser ist als sein Ruf. Warum?No sun
Auch gefallenes Laub kann leuchten. No fun
No leaves
November
1) Der November ist gar nicht so grau, wie es immer heißt. Viele Bäume verlieren erst jetzt ihr Laub und leuchten vorher noch einmal in den buntesten Farben.
2) Es ist der ideale Monat zum Kochen. Wer sich gerne saisonal und regional ernährt, findet jetzt reichlich einheimisches Gemüse auf dem Markt. Und - anders als im Januar und Februar - hängen einem Kraut und Rüben noch nicht zum Hals heraus.
3) Einsamkeit kann sehr traurig sein, kommt aber, anders als uns die Dichter glauben machen wollen, im November nicht häufiger vor als in anderen Monaten. Wer nicht allein ist, muss die dunkle Jahreszeit schon gar nicht fürchten, denn: "In langen Nächten küsst es sich gut / Verliebte haben den Sommer im Blut" (Max Dauthendey). Auch Wilhelm Busch kannte den reizvollen Kontrast zwischen ungemütlichem Wetter und kuscheliger Zweisamkeit: "Was
ist das für ein Gesause! / Es stürmt bereits und schneit. Da bleiben
wir zwei zu Hause / In trauter Verborgenheit / ... / Kein Wetter kann
uns verdrießen. / Mein Liebchen, ich und du, / wir halten uns warm und
schließen / hübsch feste die Türen zu."
4) Und egal ob mit oder ohne Liebchen, es ist der ideale Monat, um es sich in der Freizeit drinnen gemütlich zu machen, herumzupusseln, einfach mal im Bett zu bleiben, zu lesen, zu malen, zu basteln, zu nähen, Fotos zu sortieren, zu kochen, bei einer Tasse Tee über das Leben nachzusinnen, ... einfach alles zu tun, was man im Sommer bei schönem Wetter oft nur mit schlechtem Gewissen machen kann.
5) Wen das alles noch nicht tröstet, der sei auf die Kraft der menschlichen Phantasie verwiesen. Daran erinnert der Dichter Emanuel Geibel. Er beginnt sein Herbstgedicht mit einer veritablen Herbstdepression: "Ich sah den Wald sich färben / Die Luft war grau und stumm / Mir war betrübt zum Sterben / Und wusst es kaum, warum /" Doch dann sieht er einen Zugvogel wegfliegen und die Stimmung ändert sich. "Es mahnt aus heller Kehle / Mich ja der flücht'ge Gast: / Vergiss, o Menschenseele / Nicht, dass du Flügel hast."
6) Und zum Schluss sei hier noch das furiose Herbstgedicht "November" von Heinrich Seidel zitiert, das das herbstliche "Schlackerwetter" so richtig zelebriert.
Solchen Monat muss man loben:
Keiner kann wie dieser toben,
Keiner so verdrießlich sein
Und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
Keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist ’ne wahre Pracht.
Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
Wie sie tanzen in dem Wind
Und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
Und sie durcheinanderwirbelt
Und sie hetzt ohn’ Unterlass:
Ja, das ist Novemberspaß!
Und die Scheiben, wie sie rinnen!
Und die Wolken, wie sie spinnen
Ihren feuchten Himmelstau
Ur und ewig, trüb und grau!
Auf dem Dach die Regentropfen:
Wie sie pochen, wie sie klopfen!
Schimmernd hängt’s an jedem Zweig,
Einer dicken Träne gleich.
O, wie ist der Mann zu loben,
Der solch' unvernünft’ges Toben
Schon im Voraus hat bedacht
Und die Häuser hohl gemacht!
So, dass wir im Trocknen hausen
Und mit stillvergnügtem Grausen
Und in wohlgeborgner Ruh
Solchem Gräuel schauen zu!