"Was machen Sie beruflich?"


Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.

Dienstag, 29. Oktober 2019

Deutschland-Chinesen 2: Qiu Fazu

Hier der zweite Teil meiner Reihe über Chinesen, die eine besondere Beziehung zu Deutschland hatten. In diesem Fall ist es auch noch eine berührende deutsch-chinesische Liebesgeschichte.

Autobiographie (2011)
Qiu Fazu hat viele Beinamen: "chinesischer Wunderarzt", "Schindler des Ostens", "Vater der chinesischen Chirurgie", "Brückenbauer" - und alle haben ihre Berechtigung. Geboren 1914 als jüngstes von sieben Kindern einer christlichen Familie in Hangzhou, gelingt es ihm, dank ausgezeichneter Noten, mit 18 Jahren an der medizinischen Fakultät der renommierten Tongji-Universität in Shanghai angenommen zu werden. Da diese auf die 1907 von dem Arzt Erich Paulun gegründete "Deutsche Medizinschule für Chinesen" zurückgeht, ist der deutsche Einfluss dort sehr stark. Die meisten Dozenten kommen aus Deutschland und alle Studierenden müssen die deutsche Sprache lernen. Nach dem Vorklinikum geht Qiu 1937 nach Deutschland und schreibt sich an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) in München ein. Ihm gefällt, dass das Studium "keine sture Paukerei", sondern praxisorientiert ist. Zwei Jahre später macht er seinen Doktor, entscheidet sich für die Fachrichtung Chirurgie und bewirbt sich am Lehrkrankenhaus der LMU in Schwabing. Der Chefarzt der Chirurgie macht ihn bald zu seinem persönlichen Assistenten und schützt ihn vor Anfeindungen, denen er als Asiate ausgesetzt ist. So fordert etwa ein Kollege, Mitglied der SS, die Krankenhausleitung auf, Qiu das Untersuchen deutscher Patienten zu verbieten, kommt damit jedoch nicht durch.

Freitag, 25. Oktober 2019

MoMo10: Wer ist hier gelb?

Schimpft der Arzt mit seinem Patienten: "Da behandle ich Sie seit zwei Wochen gegen Gelbsucht. Und heute sagen Sie mir erst, dass Sie Chinese sind!"
Blöder Witz? Auf jeden Fall! Es gibt noch mehr blöde Witze und Karikaturen, die auf die gelbe Hautfarbe von Chines*innen abzielen. Dabei sind Leute in China genauso wenig gelb wie Kühe lila sind. Lange galten sie sogar als ausgesprochen weiß. Als Kaiser Maximilian I zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen Hofbeamten nach Lissabon schickte, um sich asiatische Seeleute anzusehen, soll dieser nach der Rückkehr berichtet haben, die Chinesen hätten eine Haut "so weiß wie Porzellan".
Dieses Bild änderte sich erst Mitte des 18. Jahrhunderts.

Mittwoch, 16. Oktober 2019

MoMo10: Toilettenrevolution

Man erfährt ja wirklich immer wieder interessante Dinge bei seinen Recherchen. Gestern habe ich z.B. zu Toiletten in China recherchiert und herausgefunden, dass es beim Tourismusministerium einen landesweiten Toilettenbeauftragten gibt. 2015 wurde eine Toilettenrevolution ausgerufen (darunter geht es wohl nicht), die, laut Angaben der Regierung, dazu führte, dass innerhalb von zwei Jahren 100.000 Toiletten neu gebaut oder renoviert wurden.
Tatsächlich sind (oder waren?) öffentliche chinesische Klos manchmal etwas gewöhnungsbedürftig.  Man riecht sie oft schon von weitem, in der Regel sind es Hocktoiletten, was aus Hygienegründen vorzuziehen ist, aber eine Haltung erfordert, die EuropäerInnen oft schwer fällt. Man möchte aber auf gar keinen Fall dort umkippen und sich irgendwo abstützen müssen. Manchmal gibt es keine Trennwände oder Türen, Seife ist selten, Klopapier fehlt eigentlich immer. Das bringt man selbst mit und nach der Benutzung wirft man es auf keinen Fall ins Klo, sondern in den Eimer daneben (der natürlich überfüllt ist).
In den letzten Jahren hat sich der Standard, zumindest in den großen Städten und Tourismusgebieten, aber wirklich deutlich gebessert. Die neuen oder modernisierten Klos sind ziemlich sauber und die Privatsphäre bleibt gewahrt. Und - anders als in Deutschland - gibt es in China wenigstens überall öffentliche Toiletten, und zwar kostenlos.

Beispiel für eine hübsche öffentliche Toilette (in Qufu)

Montag, 7. Oktober 2019

Zehnter Mottomonat 2019: China-Buch

Ich habe länger überlegt, was ich als Motto für den Oktober nehmen soll. Ursprünglich wollte ich einen Kochmonat machen, weil Erntezeit ist und die Märkte üppig mit heimischem Gemüse bestückt sind. Außerdem könnte ich dann meine Rezeptsammlung mal ordnen und das Bücherregal mit den Kochbüchern ausmisten.
Aber nun hat sich überraschend die Möglichkeit für ein neues Buchprojekt über China ergeben. Ausgemacht ist noch nichts, das wird sich erst Ende des Monats entscheiden, deshalb kann ich auch noch nichts dazu schreiben. Aber wenn es zustande kommt, wird es einiges an Arbeit und Recherchen erfordern und da China durch die Reise gerade wieder ganz präsent ist, habe ich gedacht, ich nutze den Schwung und widme mich diesen Monat dem Buchprojekt. Bei den Recherchen fällt dann sicher auch der ein oder andere interessante Beitrag für diesen Blog ab.

Dienstag, 1. Oktober 2019

MoMo9: Resümee "China" mit Fotos

Seit ein paar Tagen bin ich wieder aus China zurück. Es war eine spannende und intensive Reise. Räumlich führte sie nach Beijing, Tianjin, Qufu, auf den Taishan, nach Qingdao und zurück nach Peking. Zeitlich ins aktuelle China, in die jüngere chinesische Vergangenheit und in das alte China. Und natürlich war es auch eine Reise in die eigenen Erinnerungen. Insgesamt ist China mir emotional wieder viel näher gerückt. Und das ist schön!
Die letzten Tage habe ich die Fotos geordnet und versucht, eine Auswahl für den Blog zu treffen. Nicht ganz einfach. Hier also nun die Favoriten:

1. Das aktuelle China (überall)
Hochhaus-Lightshow in Qingdao
Reinigungsroller mit Reisigbesen
Bezahlen per App - auch für Straßenmusik
Viiiel Plastik

Leckeres Essen !!!
Strandleben in Qingdao: Lieber Posen als Schwimmen
Viiile Überwachungskameras







 2. Die jüngere chinesische Vergangenheit

Mitte des 19. Jahrhunderts wurde China nach den Niederlagen in den Opiumkriegen gezwungen, seine Abschottungspolitik aufzugeben und diverse Vertragshäfen an den Küsten für den freien Handel mit dem Westen zu öffnen. Die Westmächte, allen voran Großbritannien und Frankreich, siedelten sich dort in sog. Konzessionen mit exterritiorialem Status an, in denen sie nicht der chinesischen Justiz unterworfen waren. Die "Ungleichen Verträge", die das Kaiserhaus damals unterschreiben musste, werden in China immer noch als nationale Demütigung empfunden. Die Bausubstanz, das architektonische Erbe der Kolonialzeit, wird heute jedoch durchaus bewahrt und für das Tourismus-Marketing genutzt, gibt es den jeweiligen Städten doch ein besonderes Gepräge.

Tianjin
Wolkenkratzersilhouette am Bahnhof von Tianjin
In der strategisch wichtigen Hafenstadt, 120 km südöstlich von Peking, errichteten im Laufe der Jahre sogar neun Westmächte Konzessionen. Ein zusammenhängendes Gebiet aus fünf großen Straßen (Wudadao) mit etwa 230 Gebäuden im europäischen Stil gilt heute als Touristenattraktion. Aber auch außerhalb gibt es noch gut erhaltene Bauwerke aus dieser Zeit. (Empfehlenswert: Museum of Modern Chinese History). Ansonsten ist Tianjin heute eine moderne Stadt mit etwa sieben Millionen Einwohnern im Ballungsraum.
Gebäude im europäischen Stil
Im ehemaligen deutschen Club Concordia
Villa im italienischen Viertel
Qingdao (Tsingtao)
Qingdao mit Blick auf die Altstadt
1897 wollten auch die Deutschen einen eigenen Stützpunkt in China und hatten sich dafür die Jiaozhou-Buch in Shandong ausgesucht. Als das chinesische Kaiserreich nicht mit sich verhandeln ließ, besetzte man das Gelände kurzerhand unter einem Vorwand und zwang China, einen Pachtvertrag über 99 Jahre zu unterschreiben. Anschließend machte man sich daran, aus dem ehemaligen Fischerdorf eine deutsche Stadt aufzubauen, mit allem Drum und Dran: Kaiser-Wilhelm-Straße, Postamt, Brauerei, Kasernen, Strandhotel... Wie gewonnen, so zerronnen: Nur 17 Jahre später, zu Beginn des Ersten Weltkrieges, wurde Qingdao von den Japanern erobert. In der Altstadt sind noch viele Gebäude der ehemaligen deutschen Stadt erhalten, obwohl natürlich auch hier - wie in jeder chinesischen Stadt - die Hochhäuser die Stadt umzingeln. Qingdao hat heute im Stadtgebiet etwa fünf Millionen Einwohner.

Bahnhof von Qingdao

Erbaut 1907, heute ein Museum.
Ehemaliger Gouverneurspalast





Erbaut erst 1932, ein beliebtes Motiv für Hochzeitsfotos.
Katholische Kathedrale St. Michael





 3. Das alte China - Qufu und der Taishan
Wenn man in Shandong reist, kommt man um Konfuzius eigentlich nicht herum. In der Stadt Qufu ist er geboren, dort steht der Konfuziustempel, zu dem Kaiser pilgerten, um ihm die Ehre zu erweisen. Dort ist auch die alte Residenz der Familie Kong mit über 400 Gebäuden und dort, im Kong-Hain, liegen Konfuzius und seine Nachfahren begraben. Wir befürchteten, dass im Zuge der neuen Wertschätzung des alten Philosophen die ganze Stadt hochglanzpoliert wäre und sich die Touristenmassen durch die Straßen drängen würden. Aber abgesehen von einigen unvermeidlichen Souvenierläden ist Qufu im Zentrum eine kleine, ruhige Stadt mit einer renovierten alten Stadtmauer. Wir mochten sie sehr.

Ruhige Gasse in Qufu
Stadtmauer von Qufu

Ich gestehe: Auch wir haben eine Holzfigur gekauft.
Konfuzius' Grabhügel
Der Taishan wiederum ist einer der fünf heiligen Berge des Daoismus und angeblich einer der meistbestiegenen Berge der Welt. Die 1300 Höhenmeter müssen über rund 6500 Treppen! bewältigt werden. Überall stehen kleine Tempel und Pagoden, Kaiser und Dichter haben seit Jahrtausenden Inschriften in den Stein meißeln lassen.
Heutzutage geht es ziemlich rummelig zu: Imbisse und Restaurants, Verkaufsstände, Fotografen, Lautsprecher an Bäumen, Leuchtschriften... Eher eine soziologische Erfahrung als ein Naturerlebnis oder gar eine spirituelle Horizonterweiterung. Leider war das der einzige Tag auf unserer ganzen Reise, an dem es geregnet hat. Von dem angeblich so spektakulären Sonnenaufgang am nächsten Morgen sahen wir deshalb nur .... Nebel.





Imbiss mit Fertigsuppen und Fernseher
Lastenträger - man beachte die Wadenmuskulatur!
Statt Sonnenaufgang - auch schön!