"Was machen Sie beruflich?"


Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.

Samstag, 10. Oktober 2020

Schreiben und Flechten

Seit Mai habe ich fast nichts gepostet, obwohl ich es mir immer wieder vorgenommen habe. Ich glaube, ich war nach der monatelangen Schreibtischarbeit am China-Buch vorübergehend "ausgeschrieben". Ich hatte viel mehr Lust, draußen zu sein, mich zu bewegen und etwas mit den Händen zu machen. 

Und wie der Zufall so spielt, habe ich just in diesem Sommer eine ganz neue Leidenschaft entdeckt, die mich in den letzten Monaten ziemlich in Anspruch genommen hat: Korbflechten. Vielleicht ist es auch kein Zufall, dass es mich so gepackt hat, ich bin familiär vorbelastet: Mein Großvater war Korbmachermeister in Mecklenburg, mein Vater ist gelernter Korbmacher (auch wenn er bald das Büro einer Werkstatt vorgezogen hat). In meiner Familie gab es immer Korbsachen, Wäschekörbe, Körbchen für uns Kinder, Kinderstühle, Einkaufskörbe, die Opa selbst gemacht hatte. Sein Meisterstück, ein wunderschöner Sessel, steht auch im Elternhaus und wird im Moment von der Katze besetzt gehalten. Trotzdem bin ich bis vor kurzem nicht auf die Idee gekommen, selbst zu flechten. 

Flechten ist etwas sehr Archaisches. Menschen haben immer geflochten, mit allem, was in der Umgebung zur Hand war, Gras, Binsen, Schnur, Peddigrohr, Weiden. Meine Großeltern haben selbst Weiden gepflanzt, sie geschnitten, geschält, trocknen lassen...  Eine mühsame Arbeit! Mein Vater erzählt, dass die Weiden nach dem Schnitt gebündelt ins Wasser gestellt wurden, damit sie treiben, dann erst konnte man sie schälen. Als er den Beruf lernte, musste noch jede Weidenrute einzeln geschält werden, später schaffte sich mein Großvater eine Maschine an, mit der man ganze Büschel auf einmal verarbeiten konnte.
Opa beim Weidenschälen

Wenn man der Tradition folgen möchte, das Material aus der Umgebung zu nehmen, aus dem, was im Überfluss da ist und wenig kostet, welches Material wäre dann für einen Menschen wie mich, mitten in der Stadt, geeignet? - Papier! Genau: altes Papier, alte Zeitungen, Reklamebroschüren, ausgelesene Zeitschriften, Kataloge, Telefonbücher... Was man daraus alles machen kann, zeige ich dann im nächsten Post.

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