"Was machen Sie beruflich?"


Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.

Freitag, 25. Oktober 2019

MoMo10: Wer ist hier gelb?

Schimpft der Arzt mit seinem Patienten: "Da behandle ich Sie seit zwei Wochen gegen Gelbsucht. Und heute sagen Sie mir erst, dass Sie Chinese sind!"
Blöder Witz? Auf jeden Fall! Es gibt noch mehr blöde Witze und Karikaturen, die auf die gelbe Hautfarbe von Chines*innen abzielen. Dabei sind Leute in China genauso wenig gelb wie Kühe lila sind. Lange galten sie sogar als ausgesprochen weiß. Als Kaiser Maximilian I zu Beginn des 16. Jahrhunderts einen Hofbeamten nach Lissabon schickte, um sich asiatische Seeleute anzusehen, soll dieser nach der Rückkehr berichtet haben, die Chinesen hätten eine Haut "so weiß wie Porzellan".
Dieses Bild änderte sich erst Mitte des 18. Jahrhunderts.

Der schwedische Naturforscher Carl von Linné hatte gerade die Pflanzenwelt systematisiert und machte sich nun daran, auch die Menschheit in Kategorien einzuteilen. Da er  - wie viele Zeitgenossen - ein Anhänger der antiken Vier-Elemente-Lehre war, ordnete er den Kontinenten die vier Farben, weiß, rot, schwarz und gelb zu. Nach dieser Lehre ist alles Sein durch Mischungsverhältnisse der vier "Essenzen" Wasser, Feuer, Erde, Luft bestimmt. Diese Elemente sind jeweils mit bestimmten Himmelsrichtungen, Jahreszeiten, Organen, Eigenschaften etc. und eben auch Farben verbunden und bieten so ein umfassendes Welterklärungssystem. Chinesen wurden auch deshalb gelb, weil Linné gehört hatte, dass sie gute Kaufleute waren, und für diese Eigenschaft galt die Galle als zuständig, die wiederum dem Gelb zugeordnet war. 

Doch was auch immer Linné sich dabei gedacht haben mag, es wurde bald wörtlich genommen. Schließlich waren die Afrikaner*innen ja auch "schwarz", also mussten die Amerikaner*innen wohl wirklich "Rothäute" sein und die Chines*innen eben gelb. Diese ahnten lange nicht, dass sie irgendwo auf der Welt in eine gelbe Schublade gesteckt worden waren. Und als sie es schließlich erfuhren, hat es sie vielleicht nicht sonderlich gestört. In China hatte man schon früh ein vergleichbares Welterklärungskonzept entwickelt, das auf den Elementen Erde, Wasser, Feuer, Luft und Metall beruhte. Gelb stand hier für die Erde und die Mitte, für Ausgeglichenheit und die Freiheit von weltlichen Sorgen. Es war eine positive Farbe, nur der Kaiser durfte seinen Palast mit gelben Ziegeln decken. Eine gelbe Rasse zu sein war also in gewisser Weise sogar ein Beweis für die Höherwertigkeit der eigenen Kultur, jedenfalls keine Beleidigung.

Und vielleicht war es am Anfang auch nicht so gemeint. Im 19. Jahrhundert jedoch, als zunehmender Kolonialismus und Imperialismus den Rassismus als Rechtfertigung brauchten, wurde die weiße Rasse immer mehr zum Ideal, die Farbigkeit zur Minderwertigkeit. "Die Menschheit ist in ihrer größten Vollkommenheit in der Rasse der Weißen" befand selbst der große Aufklärer Kant. Je rassistischer die Gesellschaft wurde, desto gelber wurden die Chinesen. Von dort war es dann nicht mehr weit zur Rede von der "Gelben Gefahr", die um 1900 aufkam.

Bloß nicht braun werden! Verkäuferin am Strand von Qingdao
Interessant ist, dass viele Menschen in China dieses Klischee übernommen haben und mittlerweile selbst von ihrer gelb-braunen Hautfarbe überzeugt sind, gegen allen Augenschein. Chinesen, die sich von westlichen Ideen oder einem westlichen Lebensstil angezogen fühlen oder lange im Ausland gelebt haben, werden deshalb gerne als Bananen bezeichnet, außen gelb, innen weiß. Das Ideal ist jedoch das Gegenteil: innen gelb (also der chinesischen Kultur verbunden), außen aber so weiß wie möglich. Und dafür sind - besonders Chinesinnen - zu allerhand Opfern bereit.

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