Zum 75. Jahrestags des Kriegsendes gab es am 9. Mai auf der KulturBühne des Bayerischen Rundfunks ein Konzert mit dem Liedermacher Konstantin Wecker, das live gestreamt wurde (wie man das in Corona-Zeiten eben so macht). Dabei sang er auch seine Vertonung des Gedichts "Der Revoluzzer" von Erich Mühsam von 1907. Dabei geht es um einen Mann, "im Zivilstand Lampenputzer", der mit den Revoluzzern mitmarschiert und sich dabei höchst verwegen vorkommt.
Und er schrie: "Ich revolüzze!"Seine Hochstimmung ändert sich jedoch als die Revoluzzer beginnen, die Gaslaternen, die er sonst putzt, aus dem Boden zu rupfen, "zwecks des Barrikadenbaus".
Und die Revoluzzermütze
schob er auf das linke Ohr,
kam sich höchst gefährlich vor.
Aber unser RevoluzzerDoch die anderen Revoluzzer lachen ihn nur aus und der Lampenputzer schleicht sich bitterlich weinend fort.
schrie: "Ich bin der Lampenputzer
dieses guten Leuchtelichts.
Bitte, bitte, tut ihm nichts!
Wenn wir ihn' das Licht ausdrehen,
kann kein Bürger nichts mehr sehen.
Laßt die Lampen stehn, ich bitt!
Denn sonst spiel ich nicht mehr mit!"
Dann ist er zu Haus geblieben
und hat dort ein Buch geschrieben:
nämlich, wie man revoluzzt
und dabei doch Lampen putzt.
Mühsam (Bundesarchiv) |
Doch als ich dieses Gedicht jetzt wieder hörte, verfehlte es seine beabsichtigte Wirkung. Ich entwickelte stattdessen Sympathien mit dem Lampenputzer. Hat er nicht recht? Er kämpft ja nicht einmal für seine eigenen Interessen, sondern für das Gemeinwohl, wenn er will, dass die Bürger nachts auf den Straßen sicher gehen können. Geht es nicht eigentlich darum, die Gesellschaft grundlegend zu verändern, ohne alles kaputtzumachen und ohne alle positiven Errungenschaften zu verlieren, also im Grund darum "wie man revoluzzt und dabei doch Lampen putzt"?
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