Seit Tagen, nein Wochen, liegen in meinem Zimmer Stapel von
Büchern auf dem Boden, auf dem Schreibtisch, auf dem Sofa. Immer wieder greife
ich nach einem, will es weglegen, lese mich fest, zögere. Ins Töpfchen oder ins
Kröpfchen? Ich muss mich trennen, ich habe keinen Platz mehr.
|
Wir dürfen (vorerst) bleiben ...
|
Doch nach welchen Kriterien soll ich entscheiden, welches
Buch weiterhin im Regal stehen darf? (In der vorderen oder der hinteren Reihe?)
Gegen manche habe ich eine unwillkürliche Abneigung, die müssen weg, aber das
sind nur sehr wenige. Klassiker dürfen bleiben, Bücher, die mich richtig
begeistert haben, Bücher, die ich vielleicht nochmal lesen werde. Wobei ich den
Verdacht habe, dass das alles sehr willkürlich ist, dass ich morgen oder in
einer Woche womöglich ganz andere Entscheidungen treffen würde. An manchen
Tagen gehe ich auch radikaler vor als an anderen. Irritierend ist, dass ich mich
oft gar nicht mehr erinnern kann, um was es im Buch eigentlich geht. Wie kann man
Texte, in die man eingetaucht ist, mit denen man tagelang gelebt hat, vergessen???
Und wohin mit all den aussortierten Büchern?
Ich fühle mich
für sie verantwortlich, sie sollen wenigstens in gute Hände kommen, wenn ich
ihnen schon keinen Platz mehr einräumen will. Manchmal verkaufe ich sie, auf
einer Plattform, die einen Festpreis anbietet. Ich muss nur die ISBN-Nummer eingeben
oder den QR-Code scannen und schon errechnet ein Algorithmus den aktuellen
Marktpreis aus Angebot und Nachfrage. Das ist sehr desillusionierend. Was gut geht,
sind ganz aktuelle Titel oder Bücher über Esoterik, Urban Gardening, Taschen
nähen etc. Die allermeisten Romane werden schlicht und einfach nicht angekauft,
auch wenn es sich um ausgezeichnete Literatur handelt, um Bücher von
Nobelpreisträger:innen, um wunderschön gestaltete Hardcover mit Lesebändchen. Mit
Glück werden 15 Cent dafür geboten. Stellvertretend für die Autor:innen bin ich
beleidigt. Dafür kriegt ihr das Buch nicht, murmele ich vor mich hin. Und packe
es stattdessen in das Bücherpaket, das ich einer Freundin, die etwas einsam in
den Bergen wohnt, immer zu ihrem Geburtstag im November schicke. Damit sie für
den Winter mit Lektüre versorgt ist. Die übrig gebliebenen Bücher stelle ich auf
die Briefkästen in unserem Treppenhaus und hoffe, dass meine Mitbewohner:innen
sich ihrer erbarmen. Der Rest wandert früher oder später in die örtliche
Tauschkiste. Aber vielleicht findet sich ja auch dort jemand, der sich richtig
über genau dieses Buch freut...
liebe martina, ich gebe meine aussortierten guten bücher seit ein paar jahren an den berliner büchertisch (buechertisch.org). sie gehen fachgerecht und wertschätzend damit um. allerdings muss man das paketporto selber zahlen: knapp 10,-- eur für bis zu 10 kg. für meine letzte lieferung bekam ich eine mail mit dank und dem hinweis, dass der erlös an ein leseförderprojekt geht. das hat mich gefreut. vielleicht ist das etwas für deine schätze.
AntwortenLöschenfeeundliche grüße, ellen
Liebe Ellen, vielen Dank für diesen Tipp. Davon wusste ich bisher tatsächlich nichts. Es ist auf jeden Fall ein schönes Gefühl, wenn aus den aussortierten "Schätzen" noch etwas Gutes entsteht! Liebe Grüße, Martina
Löschen