Seit Jahren wollte ich eine Vogelstimmenwanderung machen. Letzten Samstag habe ich mich endlich morgens aufgerafft und bin zum Stadtpark Planten un Blomen, um mir von einem Mitglied des NABU (Naturschutzpunkt Deutschland) erklären zu lassen: "Wer singt denn da?" Wir waren etwa zehn Leute, einige machten die Führung offenbar nicht zum ersten Mal. Die Erfahrung war ähnlich verblüffend wie bei der Wildkräuterwanderung. Ich hörte zwar ein Zwitschern und Trällern und Kiekschen und was nicht noch alles, aber für mich war das eine Art Klangteppich, während der Vogelexperte ("Ich mache das seit 40 Jahren, für mich ist das Meditation.") ganz klar und einfach unterscheiden konnte, Zaunkönig, und Zilpzalp, Wintergoldhähnchen und Rotkehlchen, auch Amseln waren zu hören, Kohlmeisen und Stare. Als eine Ringeltaube anfing zu gurren, war ich ganz erleichtert, weil ich endlich etwas erkannte. Hinzu kam, dass Planten un Blomen im Stadtzentrum liegt, mittendrin außerdem eine große Baustelle, auf der auch samstags gearbeitet wird, und nebenan fand unglücklicherweise auch noch ein Kindermarathon statt. Trotzdem standen wir immer wieder mit geschlossenen Augen herum und lauschten den Vögeln. Das hatte was. Wenn ich danach die Augen öffnete, war ich irritiert, wenn Leute mit Kopfhörern im Ohr an mir vorbeijoggten. Am Ende konnte ich wenigstens den Zaunkönig identifizieren!
Für alle, die ornithologisch dazulernen wollen: Der NABU veranstaltet in den Frühlingsmonaten fast in jeder Ortsgruppe regelmäßig kostenlose Vogelstimmenwanderungen.
Außerdem gibt es auf seiner Website eine Vogelstimmenuhr und man kann sich auch eine Vogelapp auf sein Smartphone laden.
Und hier noch mein Lieblingsbuch zum Thema: "Kritik der Vögel" von Jürgen und Thomas Roth. Die beiden Brüder, der eine Schriftsteller und Journalist, der andere Historiker, beide "Vogelkundschafter seit Kindesbeinen an", gehen historisch fundiert und mit großem (Wort)witz an die Sache heran.
Aus der Fülle der Vogelarten greifen sie die "wichtigsten, wuchtigsten und winzigsten" heraus, um "deutliche Antworten auf die ewigschwierigen Fragen" zu finden:
"Wie fällt das Führungszeugnis des Kormorans aus? Ist die Elster ethisch zu rechtfertigen? Und was bilden sich die Meisen ein? Daß nicht einmal Kant dazu etwas gesagt hat, unterstreicht die Dringlichkeit einer transzendentalbiologischen Kritik der Vögel, die mit klaren Urteilen und zugleich mit einem Größtmaß an Empathie nicht spart, was auch stille, andächtige Betrachtungen einschließt." (Klappentext).
Dazu gibt es noch schöne Illustrationen von F.W. Bernstein.
"Was machen Sie beruflich?"
Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.
Dienstag, 30. April 2019
Dienstag, 23. April 2019
MoMo4: The Duke of Argyll's Tea Tree und andere Geschichten
Mit einem Botaniker durch das Hamburger Stadtgebiet zu streifen, erweitert den Blick doch ungemein. Wo ich sonst am Wegesrand eher Begleitgrün wahrgenommen habe und höchstens mal über eine blühende Pflanze oder einen besonders alten, schön gewachsenen Baum staunte, sieht unser Freund Gerhard, mit dem wir am Sonntag unterwegs waren, überall bemerkenswerte Pflanzen. Und weiß auch noch zu sehr vielen interessante Geschichten zu erzählen.
Etwa zum gemeinen Bocksdorn, der in einem wissenschaftlichen Artikel von 1890 als Nachtschattengewächs für giftig erklärt wurde. Eine Ansicht, die sich nicht halten ließ und schon ein Jahr später zurückgenommen werden musste, aber dem Bocksdorn immer noch nachhängt. Seine Frucht hingegen ist auf dem Umweg über Asien (und mit gehörigem Werbeaufwand) unter dem unbelasteten Namen Goji-Beere zum Superfood avanciert. In England wird die Pflanze zu Ehren von Archibald Campbell, dem dritten Duke of Argyll auch The Duke of Argyll's Tea Tree genannt. Der Schotte (1682-1761) war unter anderem ein begeisteter Botaniker, der eine Vielzahl von Pflanzen importierte. Sein großer Garten bildete übrigens später den Grundstock für einen der ältesten botanischen Gärten der Welt, die Royal Botanic Gardens in Kew.
Goji-Beeren konnten wir natürlich um diese Jahreszeit noch nicht sammeln, wir hielten uns an die Blätter des Strauchs. Außerdem sammelten wir noch Giersch, Löwenzahnknospen, Hopfensprossen, Brombeer- und Himbeerblätter, eine Baldrianwurzel, Taubnessel und Knoblauchsrauke.
Zuhause ging es dann an die Verarbeitung. Die Brombeer- und
Himbeerblätter wurden aufgefädelt und zum Trocknen aufgehängt, der Baldrian über die Schreibtischlampe gelegt.
Daraus soll einmal Tee werden. Aus den Bocksdornblättern kochten wir eine
Suppe, die schön grün aussah und nicht schlecht schmeckte, aber nicht soooo besonders war. Aromatischer waren schon die gedünsteten Löwenzahnknospen.
Am allerbesten schmeckten jedoch die gedünsteten Hopfentriebe:
Dafür werden die jungen Triebe gewaschen und in Salzwasser oder Brühe ein paar Minuten gekocht. Dann in Butter geschwenkt und mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft gewürzt.
Mit Hopfenspargel sind übrigens in der Regel nicht die jungen Triebe gemeint, sondern die unterirdischen Wurzelsprossen des Hopfens, die nur etwa drei Wochen im Jahr geerntet werden können. (Dafür waren wir schon zu spät dran.) Sie sind weiß, ca. 4-5 cm lang und erinnern auch optisch an Spargel. Die Ernte ist mühsam, das Gemüse entsprechend teuer. Auf dem Münchner Vikutalienmarkt bezahlt man für ein Kilo zwischen 50 und 100 Euro.
Allan Ramsay: 3rd Duke of Argyll, 1744 |
Goji-Beeren konnten wir natürlich um diese Jahreszeit noch nicht sammeln, wir hielten uns an die Blätter des Strauchs. Außerdem sammelten wir noch Giersch, Löwenzahnknospen, Hopfensprossen, Brombeer- und Himbeerblätter, eine Baldrianwurzel, Taubnessel und Knoblauchsrauke.
Gedünstete Löwenzahnknospen |
trocknende Baldrianwurzel |
Hopfentriebe, leider etwas unscharf |
Dafür werden die jungen Triebe gewaschen und in Salzwasser oder Brühe ein paar Minuten gekocht. Dann in Butter geschwenkt und mit Salz, Pfeffer und etwas Zitronensaft gewürzt.
Mit Hopfenspargel sind übrigens in der Regel nicht die jungen Triebe gemeint, sondern die unterirdischen Wurzelsprossen des Hopfens, die nur etwa drei Wochen im Jahr geerntet werden können. (Dafür waren wir schon zu spät dran.) Sie sind weiß, ca. 4-5 cm lang und erinnern auch optisch an Spargel. Die Ernte ist mühsam, das Gemüse entsprechend teuer. Auf dem Münchner Vikutalienmarkt bezahlt man für ein Kilo zwischen 50 und 100 Euro.
Donnerstag, 18. April 2019
MoMo4: Gründonnerstagssuppe
Wer versucht, sich möglichst regional zu ernähren, der weiß, dass dies die Zeit von Kraut und Rüben ist. Rote Bete, Weißkohl, Möhren ... viel mehr gibt es im Moment nicht. Die Auswahl nimmt immer mehr ab und frisches Gemüse ist noch nicht in Sicht. Für unsere Vorfahren muss das eine schwierige Zeit gewesen sein, die Wintervorräte waren langsam aufgebraucht und die Supermärkte mit ihrem permanenten Überangebot noch nicht erfunden. Es ist kein Zufall, dass man das Fasten in diese Jahreszeit gelegt hat.
Noch bevor auf den Feldern etwas wuchs, sprossen aber die ersten Wildkräuter auf den Wiesen und im Wald. Aus diesen ersten wilden Frühlingskräutern entstand die sogenannte Gründonnerstags- oder Neunkräutersuppe. Je nach Region enthält sie zum Beispiel: Bärlauch, Brennnessel, Löwenzahn, Giersch, Gundermann, Vogelmiere, Schafgarbe, Sauerampfer, Spitzwegerich, Gänseblümchen, Schaumkraut....
Sie soll schon von den Germanen als Kultspeise zum germanischen Frühlingsfest zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara zubereitet worden sein und erst im Zuge der Christianisierung ihren christlichen Namen bekommen haben.
Im Internet gibt es viele Rezepte. Ich muss gestehen, ich hätte schon Schwierigkeiten, die Kräuter zu sammeln. Höchstens fünf davon könnte ich zweifelsfrei erkennen. Aber das wird sich bald ändern. Am Ostersonntag werden wir mit einem Freund, der sich auskennt, einen Kräuterspaziergang mit Kräutersammlung und anschließender Verkostung machen. Bin schon gespannt.
Noch bevor auf den Feldern etwas wuchs, sprossen aber die ersten Wildkräuter auf den Wiesen und im Wald. Aus diesen ersten wilden Frühlingskräutern entstand die sogenannte Gründonnerstags- oder Neunkräutersuppe. Je nach Region enthält sie zum Beispiel: Bärlauch, Brennnessel, Löwenzahn, Giersch, Gundermann, Vogelmiere, Schafgarbe, Sauerampfer, Spitzwegerich, Gänseblümchen, Schaumkraut....
Sie soll schon von den Germanen als Kultspeise zum germanischen Frühlingsfest zu Ehren der Frühlingsgöttin Ostara zubereitet worden sein und erst im Zuge der Christianisierung ihren christlichen Namen bekommen haben.
Im Internet gibt es viele Rezepte. Ich muss gestehen, ich hätte schon Schwierigkeiten, die Kräuter zu sammeln. Höchstens fünf davon könnte ich zweifelsfrei erkennen. Aber das wird sich bald ändern. Am Ostersonntag werden wir mit einem Freund, der sich auskennt, einen Kräuterspaziergang mit Kräutersammlung und anschließender Verkostung machen. Bin schon gespannt.
Mittwoch, 10. April 2019
MoMo4: Schwelgen im Bärlauch
Bärlauch ist schon seit ein paar Jahren in Mode. Bärlauchpesto, Bärlauchgnocchi, Bärlauchsuppe....
Aber letztes Jahr habe ich zum ersten Mal Bärlauch in der Natur wachsen sehen - in einem Wald in den bayerischen Voralpen. Und dieses Jahr haben Jupp und ich die leckere Pflanze auch in einem Hamburger Park entdeckt und gleich fleißig gesammelt. Wir waren nicht die einzigen.
Zwei chinesische Frauen hatten schon eine große Tüte voll und gaben uns Tipps für die besten Stellen.
Sie meinten, Bärlauch gebe es auch in China, aber ich kann mich nicht erinnern, ihn dort jemals gesehen oder gegessen zu haben.
Zu Hause machten wir uns gleich eine leckere Bärlauchsuppe mit Kartoffeln und Blumenkohl. Und am nächsten Tag legten wir uns einen kleinen Vorrat an Bärlauchpaste an, damit wir noch länger was davon haben.
Das Rezept:
300 g Bärlauch
250 ml Sonnenblumenöl
ca. 30 g Salz
Den Bärlauch waschen, trocken tupfen und hacken. Mit dem Öl und dem Salz pürieren und in saubere Gläser füllen. Oben eine Schicht Öl drauf für die Haltbarkeit und dann ab in den Kühlschrank. So soll die Paste ein Jahr haltbar sein. Man kann sie dann als Grundlage für Bärlauchpesto oder Brotaufstriche nehmen. Oder einen Esslöffel in die Suppe geben.
Aus unseren mühsam gesammelten 300 Gramm sind gerade mal zwei Gläser Paste geworden.
Aber letztes Jahr habe ich zum ersten Mal Bärlauch in der Natur wachsen sehen - in einem Wald in den bayerischen Voralpen. Und dieses Jahr haben Jupp und ich die leckere Pflanze auch in einem Hamburger Park entdeckt und gleich fleißig gesammelt. Wir waren nicht die einzigen.
Es ist genug für alle da. |
Sie meinten, Bärlauch gebe es auch in China, aber ich kann mich nicht erinnern, ihn dort jemals gesehen oder gegessen zu haben.
Zu Hause machten wir uns gleich eine leckere Bärlauchsuppe mit Kartoffeln und Blumenkohl. Und am nächsten Tag legten wir uns einen kleinen Vorrat an Bärlauchpaste an, damit wir noch länger was davon haben.
Das Rezept:
300 g Bärlauch
250 ml Sonnenblumenöl
ca. 30 g Salz
Den Bärlauch waschen, trocken tupfen und hacken. Mit dem Öl und dem Salz pürieren und in saubere Gläser füllen. Oben eine Schicht Öl drauf für die Haltbarkeit und dann ab in den Kühlschrank. So soll die Paste ein Jahr haltbar sein. Man kann sie dann als Grundlage für Bärlauchpesto oder Brotaufstriche nehmen. Oder einen Esslöffel in die Suppe geben.
Aus unseren mühsam gesammelten 300 Gramm sind gerade mal zwei Gläser Paste geworden.
Dienstag, 9. April 2019
MoMo4: Vom Guerilla- zum Urban Gardening
Es tut sich was. Letzten Samstag hat sich der "Freundeskreis Suttnerpark" bzw. "Beet-Club" (wegen der nahe gelegenen Kirche) getroffen und wir haben gemeinsam unsere Hochbeete repariert.
Wie wir zu den Hochbeeten gekommen sind? Das ist eine lange Geschichte, die vor ungefähr acht Jahren mit dem Kampf gegen die Moorburgtrasse anfing, einer Fernwärmeleitung, die der Stromkonzern Vattenfall vom Kohlekraftwerk Moorburg aus durch die Stadt bauen wollte. Die Trasse sollte auch durch den Suttnerpark gehen, einem damals eher vernächlässigten Grünstreifen in unserer Nachbarschaft, auf dessen Wert eine kleine Gruppe durch verschiedene Aktionen aufmerksam machen wollte. Wir trafen uns regelmäßig bei einer Feuertonne im Park, es gab Bier und Gespräche, Kunstausstellungen, philosophische Spaziergänge, eine Marathonlesung und eben auch die Anpflanzung verschiedener Kräuter und Blumen. Guerilla Gardening.
2011 bildete sich der Freundeskreis Suttnerpark und der Bezirk Altona unterstützte uns beim Aufbau eines Urban Gardening Projekts. Wir bekamen Geld für Gabionen und Kokosmatten und die Stadt lieferte uns Erde und sogar Stauden.
Wir hatten alle keine große Ahnung vom Gärtnern, pflanzten einfach alles ein, ein paar Gemüse dazwischen. Bei schönen Wetter trafen wir uns regelmäßig zum Grillen und ab und an war auch mal ein selbst geerntetes Gemüse im Topf, im ersten Jahr vor allem Rote Bete.
Wir waren ein kleiner Teil eines breiten Protestbündnisses gegen Vattenfall und wir hatten tatsächlich Erfolg: Der Energiekonzern musste schließlich aufgeben, die Trasse wurde nicht gebaut! Und unser Projekt schaffte es sogar in die Zeitung:
Als unser kleiner Park im Zuge von Baumaßnahmen neu gestaltet werden sollte, beteiligten wir uns ziemlich aktiv am öffentlichen Planungsverfahren. Urban Gardening war in, wir bekamen noch mehr Hochbeete zugesprochen und mussten am Ende eher bremsen, weil wir gar nicht wussten, wie wir das mit unserer relativ kleinen Gruppe überhaupt bewirtschaften sollten.
Wir gingen weiterhin relativ entspannt an die Sache heran. Manches wuchs, manches nicht. Die ersten eigenen Kartoffeln waren ein Ereignis. So andächtig habe ich selten Kartoffeln verspeist. In
einem Jahr entwickelte eine Kürbispflanze einen fast erschreckenden Expansionsdrang und nahm nach und nach die ganze umliegende Wiese in Beschlag. Nicht immer konnten wir die Früchte unserer Arbeit ernten, manches wurde von Passanten geklaut. Teilweise wurden sogar Obststräucher, die die Stadt gepflanzt hatte, ausgegraben und mitgenommen. Unsere Beete stehen an einem öffentlich zugänglichen Platz. Der Vorteil ist, dass es eigentlich immer, wenn wir dort zugange sind, zu Gesprächen kommt. Viele Leute sagen uns, dass sie sich freuen, wenn sie unsere Beete sehen. Sie fragen nach Pflanzen, erzählen von den Gärten ihrer Großeltern in der Türkei oder in Russland und geben Gartentipps. Kinder bewundern die Hummeln und riechen an der Zitronenmelisse. Betrunkene Obdachlose versichern uns, dass sie auf die Beete aufpassen. Tatsächlich hat es bisher kaum Vandalismus gegeben.
Im letzten Jahr hat sich unsere Gruppe verändert. Einige der alten MitstreiterInnen sind weggezogen, neue Interessentinnen haben die Beete übernommen. Und jetzt müssen wir uns erst noch richtig kennenlernen. Der Samstag war schon mal ein guter Anfang.
Wer noch mehr wissen möchte, wird her fündig: Suttnerblog
(Da sind auch schöne Fotos von Pflanzen, Hummeln und Festen zu sehen.)
Wie wir zu den Hochbeeten gekommen sind? Das ist eine lange Geschichte, die vor ungefähr acht Jahren mit dem Kampf gegen die Moorburgtrasse anfing, einer Fernwärmeleitung, die der Stromkonzern Vattenfall vom Kohlekraftwerk Moorburg aus durch die Stadt bauen wollte. Die Trasse sollte auch durch den Suttnerpark gehen, einem damals eher vernächlässigten Grünstreifen in unserer Nachbarschaft, auf dessen Wert eine kleine Gruppe durch verschiedene Aktionen aufmerksam machen wollte. Wir trafen uns regelmäßig bei einer Feuertonne im Park, es gab Bier und Gespräche, Kunstausstellungen, philosophische Spaziergänge, eine Marathonlesung und eben auch die Anpflanzung verschiedener Kräuter und Blumen. Guerilla Gardening.
Beim Aufbau der Gabionen |
Vorsichtiges Anpflanzen |
Wir waren ein kleiner Teil eines breiten Protestbündnisses gegen Vattenfall und wir hatten tatsächlich Erfolg: Der Energiekonzern musste schließlich aufgeben, die Trasse wurde nicht gebaut! Und unser Projekt schaffte es sogar in die Zeitung:
Hamburger Morgenpost vom 8. Juni 2012 |
Wir gingen weiterhin relativ entspannt an die Sache heran. Manches wuchs, manches nicht. Die ersten eigenen Kartoffeln waren ein Ereignis. So andächtig habe ich selten Kartoffeln verspeist. In
einem Jahr entwickelte eine Kürbispflanze einen fast erschreckenden Expansionsdrang und nahm nach und nach die ganze umliegende Wiese in Beschlag. Nicht immer konnten wir die Früchte unserer Arbeit ernten, manches wurde von Passanten geklaut. Teilweise wurden sogar Obststräucher, die die Stadt gepflanzt hatte, ausgegraben und mitgenommen. Unsere Beete stehen an einem öffentlich zugänglichen Platz. Der Vorteil ist, dass es eigentlich immer, wenn wir dort zugange sind, zu Gesprächen kommt. Viele Leute sagen uns, dass sie sich freuen, wenn sie unsere Beete sehen. Sie fragen nach Pflanzen, erzählen von den Gärten ihrer Großeltern in der Türkei oder in Russland und geben Gartentipps. Kinder bewundern die Hummeln und riechen an der Zitronenmelisse. Betrunkene Obdachlose versichern uns, dass sie auf die Beete aufpassen. Tatsächlich hat es bisher kaum Vandalismus gegeben.
Im letzten Jahr hat sich unsere Gruppe verändert. Einige der alten MitstreiterInnen sind weggezogen, neue Interessentinnen haben die Beete übernommen. Und jetzt müssen wir uns erst noch richtig kennenlernen. Der Samstag war schon mal ein guter Anfang.
Wer noch mehr wissen möchte, wird her fündig: Suttnerblog
(Da sind auch schöne Fotos von Pflanzen, Hummeln und Festen zu sehen.)
Mittwoch, 3. April 2019
Vierter Mottomonat 2019: Natur
Natur ist ein ziemlich großer Begriff. Was ich für diesen Monat damit meine: Ich will das Gärtnern vom letzten Monat weiter betreiben, aber auch über den eigenen Balkon und den eigenen Hochbeetrand hinaussehen. Es ist Frühling, alles sproßt und grünt, die Kirsche hinter dem Haus beginnt zu blühen, die Vögel zwitschern wie verrückt. Ich möchte mehr darüber wissen, wer da eigentlich zwitschert und was im Moment alles so wächst. Ich möchte Ausflüge machen, Bärlauch und frische Brennnesseln sammeln und diesen Neubeginn, der mich jedes Jahr wieder fasziniert, bewusst erleben.
Dass die Freude am Frühling und den ersten Blüten weltweit verbreitet ist, mag folgendes Foto belegen, das ich im April 2007 in einem Park in Peking gemacht habe.
Dass die Freude am Frühling und den ersten Blüten weltweit verbreitet ist, mag folgendes Foto belegen, das ich im April 2007 in einem Park in Peking gemacht habe.
Montag, 1. April 2019
MoMo3: Resümee "Gärtnern"
Ich habe mir das alles etwas anders vorgestellt, frei nach dem (angeblich?) chinesischen Sprichwort:
Ein paar Dinge habe ich natürlich auch auf die Reihe bekommen: Wir haben unser Hochbeet repariert, ich habe den Balkon aufgeräumt, mein Saatgut durchgesehen, Tomatenpflanzen, Basilikum und Paprika angesät. (Was daraus wird, ist noch unklar.) Und natürlich finde ich es faszinierend, wie aus so einem kleinen Samenkorn etwas wächst und sehe morgens nach dem Aufstehen als Erstes nach dem Minigewächshaus.
Dennoch: Es war der erste Mottomonat, der mich nicht so richtig glücklich gemacht hat. Vielleicht muss ich mir eingestehen, dass ich nicht die Pflanzenflüsterin und Gartenfee bin, die ich gerne wäre? Auch das kann ein Effekt von so einem Mottomonat sein.
Wenn ich meine Zweifel im Bekanntenkreis geäußert habe, bin ich meist auf Unverständnis gestoßen, manchmal unterlegt - so schien mir - mit einem Hauch von Aggression. An guten Ratschlägen mangelte es nicht: Du bist einfach zu dogmatisch. Du musst das lockerer angehen. Einfach ausprobieren. Wenn es nichts wird, wird es eben nichts. Wahrscheinlich willst du gar nicht gärtnern und weißt es nur noch nicht.
Das könnte in der Tat sein. Aber - und das verwundert nach dem bisher Geschriebenen vielleicht - so schnell will ich noch nicht aufgeben. Ich kann jetzt gar nicht aufhören, weil die Pflänzchen ja nun mal angefangen haben zu wachsen, der Frühling kommt, das Hochbeet muss bepflanzt werden. Auch das unterscheidet das Gärtnern von anderen Mottomonaten. Die Nähmaschine kann ich wegräumen, das Chinesischbuch beiseitelegen. Aber diese Pflanzen sind jetzt da und ich muss mich noch eine Weile um sie kümmern. Danach kommen sie dann hoffentlich alleine klar und meine Zuwendung kann sich auf regelmäßiges Gießen beschränken.
Mit anderen Worten: Der neue Mottomonat ist der alte Mottomonat. Jedenfalls teilweise.
Wer einen Tag lang glücklich sein will, der betrinke sich.Ich kenne Menschen, die mir erzählen, dass Gartenarbeit sie glücklich macht und für sie die perfekte Entspannung ist. Mir ging es nicht so. Ich hatte Stress. Ich bin nachts aufgewacht und habe darüber nachgedacht, wo und wie ich Erde für die Hochbeete organisieren könnte, wann ich was anpflanzen muss, was zusammenpasst, ob ich schon zu spät dran bin... Anfangs habe ich Bücher gelesen und Videos für Hobbygärtner angesehen, das hat mich zwar teilweise inspiriert, aber auch verwirrt, so dass ich sie schließlich beiseite gelegt habe.
Wer einen Monat lang glücklich sein will, der schlachte ein Schwein und esse es auf.
Wer ein Jahr glücklich sein will, der heirate.
Wer ein Leben lang glücklich sein will, der werde Gärtner.
Ein paar Dinge habe ich natürlich auch auf die Reihe bekommen: Wir haben unser Hochbeet repariert, ich habe den Balkon aufgeräumt, mein Saatgut durchgesehen, Tomatenpflanzen, Basilikum und Paprika angesät. (Was daraus wird, ist noch unklar.) Und natürlich finde ich es faszinierend, wie aus so einem kleinen Samenkorn etwas wächst und sehe morgens nach dem Aufstehen als Erstes nach dem Minigewächshaus.
Dennoch: Es war der erste Mottomonat, der mich nicht so richtig glücklich gemacht hat. Vielleicht muss ich mir eingestehen, dass ich nicht die Pflanzenflüsterin und Gartenfee bin, die ich gerne wäre? Auch das kann ein Effekt von so einem Mottomonat sein.
Wenn ich meine Zweifel im Bekanntenkreis geäußert habe, bin ich meist auf Unverständnis gestoßen, manchmal unterlegt - so schien mir - mit einem Hauch von Aggression. An guten Ratschlägen mangelte es nicht: Du bist einfach zu dogmatisch. Du musst das lockerer angehen. Einfach ausprobieren. Wenn es nichts wird, wird es eben nichts. Wahrscheinlich willst du gar nicht gärtnern und weißt es nur noch nicht.
Das könnte in der Tat sein. Aber - und das verwundert nach dem bisher Geschriebenen vielleicht - so schnell will ich noch nicht aufgeben. Ich kann jetzt gar nicht aufhören, weil die Pflänzchen ja nun mal angefangen haben zu wachsen, der Frühling kommt, das Hochbeet muss bepflanzt werden. Auch das unterscheidet das Gärtnern von anderen Mottomonaten. Die Nähmaschine kann ich wegräumen, das Chinesischbuch beiseitelegen. Aber diese Pflanzen sind jetzt da und ich muss mich noch eine Weile um sie kümmern. Danach kommen sie dann hoffentlich alleine klar und meine Zuwendung kann sich auf regelmäßiges Gießen beschränken.
Mit anderen Worten: Der neue Mottomonat ist der alte Mottomonat. Jedenfalls teilweise.
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