"Was machen Sie beruflich?"


Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.

Dienstag, 3. September 2019

MoMo9: Liebeserklärung an Peking


Hans-Wilm Schütte: Literarische Streifzüge durch Peking. Gossenberg: Ostasien Verlag, 2016 (Reihe Gelbe Erde 3)

Während der ersten Woche unserer Reise wohnen wir im historischen Stadtzentrum von Peking. Und dafür habe ich einen Reiseführer der besonderen Art im Gepäck. Er führt uns durch Peking, zu Klöstern und Tempeln, in Parks und Teehäuser, durch alte Gassen und an den Häusern berühmter Literaten vorbei. Vor allem aber führt er uns durch die wechselvolle Geschichte dieser Stadt, die als machtvolles Zentrum eines großen Reiches die politische und geistige Elite des Landes versammelte und auch ausländische Besucher und Besucherinnen in ihren Bann zog – oder abstieß. Erzählt wird diese Geschichte anhand literarischer Texte über Peking, wobei der Begriff Literatur weit gefasst ist und sowohl autobiographische Texte und Reisebeschreibungen als auch Romane, Gedichte und Kabarett-Texte umfasst. Die älteste Beschreibung stammt von Marco Polo aus dem 13. Jahrhundert, die neueste aus der Jetztzeit. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, als Peking nach der nationalen Erhebung der 4. Mai-Bewegung 1919 den Aufbruch in die Moderne probte und zum kulturellen Zentrum der Avantgarde wurde. Neben der Architektur geht es um die Sagen und Mythen der Stadt, vor allem aber um ihre Bewohner, um das Leben in den Gassen, die Händler und Handwerker, ihre Feste und Freizeitvergnügungen, die Tee- und Badehäuser und natürlich die kulinarischen Genüsse.
Das Buch ist ein nostalgischer Spaziergang durch vergangene Zeiten, eine Liebeserklärung an eine Stadt, die so nicht mehr existiert. Wie die einzigartige, imposante Stadtmauer, die geschleift wurde, um Platz für eine moderne, wachsende Stadt zu machen, für Schütte „ein Ereignis in einer langen Serie gezielter Kulturvernichtung“, für die er vor allem den Maoismus verantwortlich macht.
Das Buch macht trotzdem Lust, nach Peking zu reisen und – darin blätternd – dem vielleicht doch noch vorhandenen genius loci der Stadt nachzuspüren.

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