Hans-Wilm
Schütte: Literarische Streifzüge durch Peking. Gossenberg: Ostasien Verlag, 2016
(Reihe Gelbe Erde 3)
Während der ersten Woche unserer Reise wohnen wir im historischen Stadtzentrum von Peking. Und dafür habe ich einen Reiseführer der besonderen Art im Gepäck. Er
führt uns durch Peking, zu Klöstern und Tempeln, in Parks und Teehäuser, durch
alte Gassen und an den Häusern berühmter Literaten vorbei. Vor allem aber führt
er uns durch die wechselvolle Geschichte dieser Stadt, die als machtvolles Zentrum
eines großen Reiches die politische und geistige Elite des Landes versammelte
und auch ausländische Besucher und Besucherinnen in ihren Bann zog – oder
abstieß. Erzählt wird diese Geschichte anhand literarischer Texte über Peking, wobei
der Begriff Literatur weit gefasst ist und sowohl autobiographische Texte und
Reisebeschreibungen als auch Romane, Gedichte und Kabarett-Texte umfasst. Die
älteste Beschreibung stammt von Marco Polo aus dem 13. Jahrhundert, die neueste
aus der Jetztzeit. Der Schwerpunkt liegt jedoch auf der ersten Hälfte des 20.
Jahrhunderts, als Peking nach der nationalen Erhebung der 4. Mai-Bewegung 1919 den
Aufbruch in die Moderne probte und zum kulturellen Zentrum der Avantgarde wurde. Neben der Architektur geht es um die Sagen und Mythen der Stadt, vor allem
aber um ihre Bewohner, um das Leben in den Gassen, die Händler und Handwerker, ihre
Feste und Freizeitvergnügungen, die Tee- und Badehäuser und natürlich die
kulinarischen Genüsse.
Das Buch ist ein nostalgischer
Spaziergang durch vergangene Zeiten, eine Liebeserklärung an eine Stadt, die so
nicht mehr existiert. Wie die einzigartige, imposante Stadtmauer, die
geschleift wurde, um Platz für eine moderne, wachsende Stadt zu machen, für
Schütte „ein Ereignis in einer langen Serie gezielter Kulturvernichtung“, für
die er vor allem den Maoismus verantwortlich macht.
Das Buch macht trotzdem Lust, nach
Peking zu reisen und – darin blätternd – dem vielleicht doch noch vorhandenen genius
loci der Stadt nachzuspüren.
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