"Was machen Sie beruflich?"


Das berufliche Leben als Patchwork, entstanden aus Neigungen, Begabungen und - dem Zufall. Einige "Grundfarben" tauchen immer wieder auf und halten alles zusammen. Mein besonderes Interesse gilt: Sprache(n); anderen Menschen und ihren Lebensgeschichten; alternativen Lebensentwürfen jenseits von Konsum und Hektik; fremden Kulturen (insbesondere China) und den reizvollen Unwägbarkeiten interkultureller Begegnungen.

Donnerstag, 28. November 2019

MoMo11: Macht Selbermachen glücklich?

Vor kurzem habe ich eine Fernsehsendung über sozialwissenschaftliche Experimente gesehen. In einer Anordnung sollten die Versuchspersonen ein quietschgelbes Regal zusammenbauen und anschließend notieren, wie viel Geld sie bereit wären, für das Regal zu bezahlen. Danach wurde eine neutrale Gruppe dasselbe gefragt. Das Ergebnis: Die Personen, die das Regal gebaut hatten, waren in jedem Fall bereit, mehr dafür auszugeben und verteidigten auch Mängel, die sie beim Zusammenbauen vermurkst hatten. ("Gibt dem Regal eine individuelle Note.")

Individuelle Note
Das ist einer der Gründe, warum ich glaube, dass Selbermachen (oder Di-Ei-Wei, DIY = Do-it-yourself, wie es heutzutage heißt) ziemlich oft glücklich macht: Man entwickelt dabei eine Beziehung ("Resonanz") zu dem hergestellten Gegenstand, ob es nun die selbstgebackenen Plätzchen, der selbstgebaute Schreibtisch, die selbstgenähte Hose oder die handgefertigten Tagebücher sind. Man hat eine kleine gemeinsame Geschichte, hat sozusagen was zusammen erlebt.

Aber es gibt natürlich auch noch andere Gründe:




Tagebücher und Notizhefte
  • Beim Selbermachen hat man weitgehend selbst in der Hand, wie das fertige Produkt aussehen soll (einige handwerkliche Fähigkeiten vorausgesetzt). Das ist eine Form von Macht oder Freiheit, die man im Arbeitsleben oft nicht hat.
  • In der spezialisierten Arbeitswelt ist man oft nur ein Rädchen im Getriebe. Beim Selbermachen kann man eine Sache von Anfang bis zum Ende miterleben. Das ist befriedigend.
  • Beim Selbermachen kann man sich als jemand erleben, der etwas kann. (Klar, manches geht auch schief. Aber eigentlich gar nicht so oft.)
  • Selbermachen macht Spaß und kann den berühmten Flow erzeugen, der entsteht, wenn man sich ganz auf eine Sache konzentriert und darüber alles andere, auch die Zeit, vergisst.
    Schale aus Seil und einem alten Kleid
  • Aus der Beziehung zur Sache kann sich leicht eine Beziehung zu Menschen entwickeln. Es gibt hippe Strick- und Nähclubs, unzählige Blogs und Foren, auf denen man sich austauschen kann, man kann Workshops besuchen, um seine Fähigkeiten zu erweitern, Freunde zum selbstgebackenen Kuchen einladen...
  • Im Idealfall ist Selbermachen ressourcenschonender als Kaufen und fördert einen nachhaltigen Lebensstil: Denn Dinge, die mir am Herzen liegen, werfe ich nicht so schnell weg. (Nur die selbstgebackenen Plätzchen haben meist keine lange Lebensdauer.)
Weltbester Apfelstrudel - hält auch nicht lange!
Dazu noch ein Buchtipp: Susanne Klingner: Hab ich selbst gemacht. 365 Tage, 2 Hände, 66 Projekte. Köln 2018
Die Journalistin startet 2010 ein Experiment: Ein Jahr versucht sie, so viel wie möglich selbst zu machen, "vom Käse bis zur Seife, vom Cocktailkleid bis zum Christstollen, von den Schuhen bis zur Zahnpasta, vom Gärtnern bis zum Renovieren." Manchmal stößt sie dabei an ihre Grenzen. Das liest sich lehrreich und witzig und macht Lust aufs Ausprobieren. Eine nachhaltige Wirkung auf mich hatten vor allem ihre Rezepte für "das faule Brot" (S. 150) und den "Internet-Stollen" (S. 291).

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